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05.09.2008

„Auch Kinder sind behandelbar“

Meine erste Begegnung mit einem Kind bzw. Teenager fand 1972 in der Hautklinik Minden/Westfalen statt. Es handelte sich damals um ein 13-jähriges Mädchen, das unter einer mehrjährigen Behandlungsodyssee litt.
Alle Behandlungen, die es damals gab (cortisonhaltige Salben, SUP-Bestrahlung) waren erfolglos, ebenfalls die Ferienaufenthalte am Mittelmeer. Erst ein Aufenthalt am Toten Meer hat zu einer phantastischen Repigmentierung geführt. Dies hat uns alle überrascht und was mich betrifft, auf Vitiligo mehr als aufmerksam gemacht. Daraufhin hat Herr Prof. Dr. Dr. Kurt Saalfeld weitere Betroffene ans Tote Meer geschickt – fast immer mit sehr guten Ergebnissen.

Während meines Aufenthaltes am Toten Meer von Ende 1978 bis Mitte 1989 habe ich hunderte Vitiligo-Patienten aus der ganzen Welt betreuen können. Was die Kinder betrifft, hatte ich in den elf Jahren lediglich zwei, beide im Vorschulalter. Auch hier konnte ich nach mehrmaligen Aufenthalten eine sehr gute Repigmentierung erreichen.

Im Fachkrankenhaus Schloß Friedensburg, wo ich seit Ende 1992 als geschäftsführender Chefarzt tätig bin, haben wir uns auf das atopisches Ekzem (Neurodermitis), Schuppenflechte und insbesondere auf Vitiligo spezialisiert. Nach Auswertung der Statistik der stationären Patienten unseres Hauses haben wir vom 01.01.1994 bis Ende 2006 2000 Patienten behandelt. Außerdem betreuten wir mehrere tausend Betroffene ambulant. Von 2000 bis 2004 haben wir 150 Vitiligo-Kinder behandelt, das entspricht etwa 17 % der Vitiligo-Patienten.

Folgende Daten:
1 – 6      Jahre   =    20 Kinder
7 – 12    Jahre    =    68 Kinder
13 – 17   Jahre   =    62 Kinder

Ambulant hatte ich in Amberg bereits Säuglinge, die zwischen 6 bis 11 Monate alt waren, untersuchen und behandeln können. Wenn man sich die Begleitdiagnosen ansieht, die bei der ausführlichen Durchuntersuchung festgestellt wurden, findet man folgendes:

Schilddrüse: 105 (70%)
Atopie: 31 (20%)
Diabetes mellitus Typ I: 3
Chronische Cephalgien: 3
Lichen sclerosus et atrophicus: 1
Außerdem wurden Anämie, Mineralienmangel, erhöhte Infektanfälligkeit und bei 60 % der Kinder intestinale Dysbacterien festgestellt.

Man kann sich fragen, was bedeutet hier Atopie? Damit wurden betroffene Kinder zusammengefasst, die Neurodermitis, Heuschnupfen, Asthma bronchiale hatten. Etliche Kollegen, aber insbesondere Betroffene haben mich gefragt, was hat z. B. Heuschnupfen mit Vitiligo zu tun? Wenn man sich die Anamnese anhört, erfährt man, dass es bei fast allen Betroffenen mit Beginn der Pollenflugzeit zu einer eindeutigen Depigmentierung gekommen ist. Am Ende der Beschwerden kam es zur Beruhigung und danach erneut zu einer Repigmentierung. Das sind empirische Daten. Ähnlich sieht es bei Betroffenen aus, die z. B. Protonenhemmer (Magensäurebinder), Statine (Lipidsenker) oder Betablocker einnehmen. Das sind alles Beobachtungen nicht nur der Patienten, aber auch meine und die anderer Kollegen, die man ernst nehmen muss.
 
Im August 2007 wurde in unserem Haus ein Erwachsener aufgenommen, der bis April nichts hatte. Danach nahm er wegen eines erhöhten Augeninnendruckes Betablocker-haltige Tropfen ein. Von einem Tag zum anderen kam es zu Depigmentierungen. Ähnliche Beobachtungen wurden bei Psoriatikern (Schuppenflechte-Patienten) gemacht. Bei ihnen kam es ebenfalls nach Einnahme von Betablocker-haltigen Augentropfen zu einem Psoriasisschub.

Zurück zu den Kindern. Nach entsprechender Einweisung werden die Kinder in unserem Haus aufgenommen. Bis zum 12. Lebensjahr ist immer eine Begleitperson (Mutter, Vater) kostenlos dabei. Es erfolgt eine ausführliche internistische, dermatologische und psychosoziale Anamnese. Bei Kleinkindern erfolgt auch eine fachpädiatrische Untersuchung. Es gibt wenige Häuser in Deutschland, die eine echte interdisziplinäre Besetzung vorweisen können. Ich bin ein Dermatologe, Allergologe, Ernährungsmediziner und besitze die Zusatzbezeichnung Naturheilverfahren und Neuraltherapie. Unser erster Oberarzt ist ein Fachinternist und ausgewiesener Akupunkteur. Unsere 2. Oberärztin ist eine Fachärztin für Dermatologie und Neuraltherapie. Unsere Fachärztin für Pädiatrie ist auch Psychotherapeutin. Außerdem verfügt unser Haus über einen weiteren Psychotherapeuten und eine Psychologin. In unserem Haus arbeiten ebenfalls eine Oecotrophologin und eine Ernährungsberaterin. Für die Kinder steht eine Kindergärtnerin zur Verfügung. Kinder ab 2 Jahren unterziehen sich mit ihrer Begleitperson einem Autogenen Training nach Schulz.

Am Tag nach der stationären Aufnahme werden Urin und Stuhl abgegeben. Es wird Blut abgenommen, wo außer den Stoffwechselparametern auch Mineralien, Eigenabwehreiweiße, Schilddrüsenhormone und –antikörper untersucht werden. Ein Schilddrüsenultraschall wird ebenfalls durchgeführt. Aufgrund meiner mehr als 35-jährigen Erfahrung mit Vitiligo und eines Stamms von mehreren tausend Patienten habe ich keine Bedenken, auch Kinder mit UVB-311 zu bestrahlen. Meines Wissens war unser Haus das erste, das mit UVB-311 nicht nur Vitiligopatienten, aber auch Neurodermitispatienten behandelte. Unsere Kinder werden nur von Ärzten bestrahlt, darauf lege ich den allergrößten Wert, bis unterhalb der MED. Nach jeder Bestrahlung wird mit antioxidativ wirkenden, radikalbindenden Salben behandelt, und zwar mit einem 50 % Aloe vera Extrakt. Intern werden altersentsprechend Antioxidantien oral verabreicht. Vor der Bestrahlung erfolgt eine Sauerstoff-Therapie nach Ardenne – dies allerdings bei größeren Kindern. Warum Sauerstoff-Therapie? Das hat eine lange Geschichte. Im Sommer 1997 habe ich am Dermatologischen Weltkongreß in Sydney (Australien) teilgenommen.

Dort konnte ich u. a. erfahren, was Pseudocatalase-Salbe beinhaltet und einiges von den amerikanischen Kollegen lernen. Auch sie haben mit Antioxidantien gearbeitet, u. a. mit Vitamin A und D. Das Wichtigste kam bei einem Gespräch mit Kollegen aus L.A.. Sie berichteten, dass eine Repigmentierung eine Unmenge an Sauerstoff benötigt. Als ich das hörte, war mir sofort klar, warum es am Toten Meer so gut pigmentiert.
Man weiß, dass das Tote Meer – 418 m unterhalb des Meeresspiegels liegt. Der atmosphärische Druck ist entsprechend erhöht. Beim Einatmen wird deshalb mehr Sauerstoff aufgenommen als oberhalb des Meeresspiegels. Diese Tatsache ist insbesondere den Kollegen aus dem östlichen Raum bekannt. Ich erinnere mich noch, dass in der Tschechoslowakei Asthmapatienten unter Tage geschickt worden. Dort wurde Luft mit Röhren hinuntergepreßt. Durch den erhöhten atmosphärischen Druck konnten die Betroffenen besser Luft einatmen. Das hat man am Toten Meer in Natura.

Nach meiner Rückkehr habe ich die Therapie entsprechend umgestellt. Ich habe versucht, die Therapie wie am Toten Meer durchzuführen. Die Patienten wurden 2-mal am Tag bestrahlt. Vor der Bestrahlung erfolgte eine Sauerstoffbehandlung nach Ardenne. Man darf nicht vergessen, dass in unserem Haus von Anfang an Sauerstoffwasser Jedem zur Verfügung stand und steht.

Das Ergebnis: Anfang der 2./Ende der 3. Behandlungswoche kommt es in der Regel zu ersten Repigmentierungen, nicht so wie am Toten Meer, aber immerhin. Einen Tag vor Ende der stationären Behandlung erfolgt ein ausführliches Gespräch, in dem die Nachbehandlung genau besprochen wird.

Die Depigmentierung kann nur von Innen gestoppt werden, am besten im Anfangsstadium, wenn die ersten Depigmentierungen auftreten. Das Problem, vor dem ich tagtäglich stehe, ist, dass die Kinder erst vom Kinderarzt zum Hautarzt geschickt werden, der sie dann in eine Hautklinik einweist. Dort erfahren die Eltern, dass man dagegen nichts machen kann und abwarten sollte. Das Abwarten heißt, die Depigmentierung schreitet weiter fort. Hier ein Beispiel (Bild 1 bis 3): Ein 2-jähriger Junge hat erst im Bereich des Gesichtes depigmentiert. Bei der ersten kinderärztlichen Konsultation aber auch bei den nachfolgenden hieß es, abwarten, man kann nichts machen. Das Ergebnis: weitere Depigmentierung in den Achselhöhlen und am Unterleib. 
Dies braucht nicht zu sein, da man in der Regel bereits am Anfang der Depigmentierung ein Anhalten bewirken kann.

Wenn man pigmentieren will, braucht man UVB-311 nm oder Natursonne. Das Idealste ist, wenn man ein eigenes Bestrahlungsgerät besitzt. Ich stelle dann eine Verordnung für die Krankenkasse und eine Dringlichkeitsbescheinigung aus. Die Eltern werden von mir in die Benutzung des Gerätes eingewiesen, die Nebenwirkungen werden aufgezeigt und die Bestrahlungsdosis entsprechend festgelegt. Bei Unklarheiten bin ich jederzeit telefonisch erreichbar. Ein erneutes Beispiel (Bild 4 und 5): Ein 8-jähriger mit Depigmentierungen im Bereich des Gesichtes. Innerhalb von 4 Monaten kam es zu einer 98 %-igen Repigmentierung durch Bestrahlung mit dem Therapiestab UV 109 mit Kammaufsatz der Firma Waldmann. Der Rest des Gesichtes wurde abgedeckt.

Bei einer damals 13-jährigen Patientin kam es zu einer großflächigen Depigmentierung, insbesondere an den sichtbaren Hautbezirken. Aufnahmefoto von 2001 siehe Bild 6. Es wurde entsprechend mit einem eigenen Heimbestrahlungsgerät Waldmann 100 L-311 nm bestrahlt. 4 Jahre später fand man nur noch minimale depigmentierte Herde, so dass von einer weiteren Bestrahlung abgesehen werden konnte. Bild 7 – 2003, Bild 8 – 2005, Bild 9 – 2006.

Zusammenfassend kann gesagt werden, je eher die Kinder zu einem auf die Erkrankung spezialisierten Facharzt überwiesen werden, desto besser. Das Anhalten der Depigmentierung ist nicht das Problem. Bei der absoluten Mehrheit der Betroffenen kommt es dann zu keiner weiteren Depigmentierung, so dass von einer Bestrahlungstherapie abgesehen werden kann. Dies ist mein Ziel, das ich konsequent verfolge nicht nur in meiner Praxis in Amberg bzw. im Fachkrankenhaus Schloß Friedensburg Leutenberg, aber auch bei den regionalen Vitiligo-Vereinen, wo ich  – selbstverständlich ohne Honorar - Vorträge halte.

Zuletzt: Vitiligo ist eine Erkrankung, die als Schwerbehinderung seit 1996 anerkannt ist. Dies ist leider vielen Kollegen, aber auch den Amtsärzten nicht bekannt. Man kann auf die Haut 20 % Behinderung bekommen. Falls noch außergewöhnliche psychoreaktive Störungen vorhanden sind, werden diese zusätzlich berücksichtigt. Bereits etliche Erwachsene, aber auch Kinder bekamen eine 40 %-ige  Schwerbehinderung zugesprochen.
Damit besitzen sie eine Bescheinigung, die sie nicht nur den Krankenkassen und dem Medizinischen Dienst, aber auch den Dermatologen vorzeigen können, falls von einem kosmetischen Problem gesprochen wird.


Autorenkontakt:
Dr. med. Raphael Shimshoni
Chefarzt
Salzstadelplatz 1
92224 Amberg

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