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05.01.2013

Sich das Leben schwer machen

Vitiligo, Neurodermitis, Rosazea, hierbei handelt es sich um chronische körperliche Erkrankungen, bei denen auch psychologische Mechanismen zu einer Verschlechterung im Krankheitsverlauf beitragen können. Man spricht in diesem Fall von somatopsychischen Erkrankungen, denn auf den Körper (griechisch: „soma“) können sich seelische Prozesse („psyche“ aus dem Griechischen: Atem, Hauch; übertragen Seele) auswirken, im positiven wie im negativen Sinne. Bei psychosomatischen Erkrankungen hingegen lösen psychische Prozesse körperliche Beschwerden aus, denen keine körperliche Erkrankung zugrunde liegt.

Somatopsychisch – wie geht und entsteht das eigentlich?
Prof. Dr. Rainer Sachse beschreibt in seinem Buch „Schwarz ärgern – aber richtig“  „paradoxe Ratschläge für Psychosomatiker“, die sich auch auf somatopsychische Prozesse übertragen lassen. Paradoxerweise könnte man also fragen: „Was muss ich selbst tun, um meine chronische Hauterkrankung noch zu verschlechtern?“ Kommt man diesen Mechanismen auf die Schliche, wird einem bewusst, wie man selbst auf diese Prozesse einwirken kann, um der „somatopsychischen Falle“ zu entkommen. Es mag paradox klingen, doch gerade das paradoxe Herangehen, im „Kopfstand“ sozusagen, macht viele Dinge anschaulich und greifbar. Denn in vielen, natürlich nicht in allen Situationen, steht der Mensch sich selbst im Wege. Und wenn man seine chronische Hauterkrankung schon nicht selbst heilen kann, so kann man sie doch im somatopsychischen Sinne positiv beeinflussen lernen. Sachse selbst beschreibt diesen Weg zum Psychosomatiker, hier übertragen zum Somatopsychiker, mit den Stadien „Anfänger“, „Fortgeschrittener“ und „Profi-Liga“.

Meilensteine auf dem Weg zum „Somatopsychiker“
Was sollte man als Hauterkrankter tun, damit sich psychologische Faktoren möglichst im negativen Sinne auf die Hauterkrankung auswirken? Sachse empfiehlt in diesem paradoxen Kontext, bloß nicht anzufangen, „über sich, seine Bedürfnisse, sein Leben nachzudenken“. Schließlich ist es doch heutzutage „in“, Stress zu haben. Es ist paradox, aber wer nicht im Stress ist, der gibt sich einfach nicht genug Mühe oder hat einfach zu wenig zu tun.

„Aller Anfang ist schwer…“
Um sich weiter zum „Somatopsychiker“ zu entwickeln, sollte man sich einfach ausreichend Verhaltensweisen im eigenen Leben etablieren, die dem Organismus ordentlich zusetzen können: sich fettreich ernähren, rauchen, Alkohol konsumieren und laute Umgebungen bevorzugen. Der Körper gerät erst richtig unter Strom, wenn man Belastungen auf sich nimmt, man zu allem „Ja und Amen“ sagt, sich als „Besserwisser“ unbeliebt macht und sich in zahlreiche Konflikte zu Hause und am Arbeitsplatz hineinmanövriert. Man sollte selbst Raum für Freizeitstress schaffen. Als Arbeitstier könnte man schlichtweg denken, „Freizeit sei verlorene Zeit.“ Gerade der Dauerstress führt dazu, dass der Mensch zusehends an Erschöpfung leidet, die sich auf die Hauterkrankung im negativen Sinne auswirken kann. Sorgt der Mensch selbst für Zeitdruck, Aufregung und Ärger, so sind psychische Stressoren im Spiel, die den Menschen aus seinem Gleichgewicht bringen und seiner Gesundheit schaden können.

„To be continued“
Als Fortgeschrittener in Sachen „Somatopsychiker“ empfiehlt es sich in diesem paradoxen Zusammenhang, die eigenen Gefühle möglichst zu übergehen. Gefühle dienen im gesunden Sinne der Orientierung im Leben eines Menschen. Mit der Einstellung, dass Gefühle „einfach nur stören“, kann man als Mensch das eigene Gefühlserleben torpedieren. Und hat man die eigenen Gefühle erst lang und ausgiebig genug übergangen, nimmt man diese schließlich immer weniger „wahr oder nicht ernst“, laut Sachse. Weiter sollte man möglichst auch alle körperlichen Botschaften ignorieren. Man sollte den eigenen Körper wie eine „Maschine“ sehen, die „keine Ansprüche zu stellen, sich nicht zu melden und keine Zicken zu machen“ hat. Auf diesem Wege trägt man mit all diesen paradoxen Ratschlägen dazu bei, dass man als Mensch aus dem Gleichgewicht von Körper, Geist und Seele gerät. Und sollten sich zusehends Erschöpfungszeichen in dieser Situation zu Worte melden, einfach weiter machen wie bisher, um zum „Profi - Somatopsychiker“ aufzusteigen.

Vom Amateur zum Profi
Die „Profi-Liga“ der Somatopsychiker zeichnet, laut Sachse, die „Stress-Autonomie“ aus. Damit beschreibt Sachse Menschen, die dazu fähig sind, sich selbst ausgiebig und kontinuierlich zu stressen.“ „Man benötigt keinen äußeren Stress“ mehr. Koppelt man diese paradoxe Fähigkeit mit einem schlechten Selbstbild, so wird man zusehends immer abhängiger von den Rückmeldungen der Menschen um einen herum. Und vor allem sollte man aufhören, das eigene (Er-)Leben zu reflektieren, schließlich könnte man ansonsten erkennen, wie man sich selbst im Wege steht.
Schließlich empfiehlt Sachse noch, wie man „mit lästigen Therapeuten“ umgehen sollte, denn diese könnten einem auf der Basis von Hilfe zur Selbsthilfe dazu verhelfen, Symptome zu lindern oder abzubauen und für mehr Lebensqualität zu sorgen.

„Ist das nicht paradox?“
Vielleicht fragen Sie sich als Leser an dieser Stelle, welchen Sinn diese paradoxe Darstellung haben könnte. In der Psychotherapie haben sog. „paradoxe Interventionen“ durchaus ihre Berechtigung. Der paradoxe Blick auf eine schwierige Situation im Sinne von „Was müsste ich selbst tun, damit es noch schlimmer wird?“ löst selbst in vielen vertrackten Situationen das eine oder andere Schmunzeln beim Betroffenen aus. Denn aus dieser Perspektive hat man meist die eigene Situation noch nicht betrachtet. Gleichzeitig wird der Fokus auf all jene Prozesse gelenkt, die man selbst in den Händen hält und steuern kann.
Was bedeutet das für Menschen, die an chronischen Hauterkrankungen wie Neurodermitis, Rosazea oder Vitiligo leiden? Die körperliche Veranlagung selbst kann man leider nicht „wegzaubern“, das ist nicht tröstlich. Aber viele Prozesse im Alltag kann man im somatopsychischen Sinne beeinflussen lernen, damit möglichst keine somatopsychische Verschlechterung zu erwarten ist. Es ist doch tröstlich, dass man wenigstens hierauf selbst Einfluss nehmen kann. Diese Handlungs- und Ressourcenorientierung im Sinne von „Was kann ich selbst tun? Welche Ressourcen stehen mir dafür zur Verfügung?“ sind Schritte auf dem Weg, sich einer chronischen Erkrankung nicht hilflos ausgeliefert zu fühlen.

Autorin: Dipl.-Psych. Sonja Dargatz

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