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25.08.2020

Haltung bewahren ist stärkend

istock UrupongEs ist erst ein paar Tage her, als ich auf einer Busfahrt durch die Stadt eine doch sehr diffamierende Situation für eine Frau Mitte 20, die an einer sichtbaren chronischen Hauterkrankung litt, miterlebte. Vor allem am Hals und im Gesicht war die junge Frau von ihrem Hautleiden gekennzeichnet. Ihr schräg gegenüber saßen zwei Teenager, die – so wirkte es zumindest, nichts anderes zu tun hatten, als sich über die Hauterkrankung ihres Gegenübers zu unterhalten. Zunächst rätselten sie, welche Hauterkrankung es wohl sein könnte, dann wurde auf dem Handy Dr. Google befragt, hinzu zogen sie Fotos von Menschen von anderen ebenfalls Hautbetroffenen über Google. Letztlich kamen sie zu dem Fazit, was für eine entstellende Hautkrankheit das doch sei, vor allem für die junge Frau, die ihnen gegenüber saß, die wohl ziemlich wahrscheinlich keinen Mann abbekommen würde damit. Die junge Frau hörte diese abwertenden und hässlichen Worte und zeigte Haltung. Schon allein an ihrer Körperhaltung konnte man von außen erkennen, dass sie die diffamierenden Worte an sich abprallen ließ. Die beiden Teenager stiegen an der nächsten Haltestelle aus. Ich hatte das Glück, mit der jungen Frau im Stau der Rush Hour ins Gespräch zu kommen.

Alles eine Frage der Haltung

Ich saß neben der jungen Frau, als sie ihren Kopf schüttelte über das Verhalten der beiden Teenager, die gerade den Bus verlassen hatten. Sie sagte: „Was für ein dummes grünes Gemüse war das denn?! Da hätte ja nur noch gefehlt, dass sie mich gefragt hätten, ob meine Hautkrankheit ansteckend ist, denn an den Händen bin ich ja auch betroffen." Ich fragte zurück, wie sie es denn schaffen würde, solche hässlichen Äußerungen an sich abprallen und damit nicht an sich herankommen zu lassen.

„Nicht wir sollten nur die Haltung, sondern die Haltung könnte auch uns bewahren." (von Martin Gerhard Reisenberg)

„Das ist eine gute Frage", sprach die junge Frau weiter mit mir. „Letztlich war das nicht das erste Mal, dass ich wegen meiner Hauterkrankung schlecht behandelt wurde, sowohl von Fremden als auch von Bekannten bin ich deshalb schon mies und unfair behandelt worden. Ich habe mich dann oft gefragt, welche Wahl ich denn habe. So könnte ich betrübt in den Keller gehen und weinen und hadern über mein Schicksal. Oder ich könnte mir eine Haltung zulegen, die mich nicht angreifbar macht. Und ich erkannte, dass ich also doch eine Wahl hatte. Und das tat gut zu wissen." Ich fragte weiter, wie sie dies denn konkret umsetzen würde im Alltag.

Innere und äußere Haltung zeigen

„Auch das ist eine gute Frage", schmunzelte die junge Frau im Gespräch mit mir. „Innerlich hat mir geholfen, dass ich irgendwann akzeptieren konnte, dass ich an einer chronischen Hauterkrankung leide, für die es eben noch keine Heilung gibt. Da war mir klar, dass mir im Leben auch immer wieder dumme Menschen begegnen würden, die lieber über andere herziehen, um von sich selbst abzulenken. Seitdem überraschen mich solche Äußerungen wie die von heute nicht mehr. Ich kann tatsächlich gut die Spreu vom Weizen trennen und bin dankbar dafür, dass ich in der Firma, in der ich arbeite, und privat tolle Menschen um mich habe. Darauf besinne ich mich in solchen Situationen wie heute. Und dann habe ich auch an meiner äußerlichen Haltung gearbeitet. Mir ist nämlich aufgefallen, dass ich in stigmatisierenden Situationen anfangs zusammen gesunken bin wie ein Häuflein Elend, so fühlte ich mich ja auch. Aber ich wollte einen solchen Eindruck nicht bei meinem Gegenüber hinterlassen. So habe ich angefangen, ins Fitnessstudio zu gehen, um mich mit meiner Wirbelsäule wieder aufzurichten. Seitdem ich dort zwei Mal die Woche trainiere, fühle ich mich einfach auch viel stabiler. Zum Tanzen gehe ich auch, das macht mir richtig Spaß und sorgt auch für eine aufrechte Haltung. Ich würde gerne noch mit Ihnen weiter reden, aber ich muss nun aussteigen. Tschüßi!" Und schon war die nette junge Frau verschwunden.

Haltung bewahren

Ich saß noch einige Zeit im Bus, bis auch ich an diesem Tage endlich zu Hause angekommen war. Die Worte der jungen Frau hatten mich tief beeindruckt. Schließlich erkannte ich auch, dass sie die Kompetenz besaß, selbst in herausforderndsten Situationen ihre Haltung zu bewahren.

Haltung bewahrt

Darüber hinaus wurde mir deutlich, dass auch ihre Haltung sie im umgekehrten Sinne bewahrte in herausforderndsten Situationen. Schön war auch zu sehen, dass sie sich ganz bewusst mit ihrer Erkrankung auseinander gesetzt und aktiv nach Wegen für sich gesucht hatte, für sich selbst gut zu sorgen und sich selbst zu schützen. Sie hatte gut erkannt, dass man eben auch die eigene Haltung zeigt, wenn man keine Haltung einnimmt. So formulierte es auch der deutsche Aphoristiker Sigmar Schollak. Und mit eben dieser Haltung trägt man nicht unbedingt dazu bei, sich selbst zu stärken oder sich von diffamierenden Äußerungen abzugrenzen. Ich bedauerte ein wenig, nicht mehr hatte erfahren können, ob es ihr bisher gelungen war, ihre Haltung immer konsequent an Bord zu haben und einzusetzen, denn Kompetenzen wie diese müssen wachsen und machen Geduld mit sich selbst erforderlich, auch Rückschläge annehmen zu können, sich wieder aufzurichten und daraus zu lernen. Denn letztlich wird man an eben dieser Haltung „die Stärke eines Menschen" offensichtlich, wie es auch die österreichische Aphoristikerin Katharina Eisenlöffel auf den Punkt brachte.

Quelle:
Vitiligo Information 20.1
Mitgliedermagazin Deutscher Vitiligo Verein e.V.

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