- Neue Erkenntnisse, extrahiert aus aktuellen internationalen Publikationen -
Vitiligo gehört weiterhin zu einem der spannendsten Forschungsgebiete
innerhalb des Faches der Dermatologie. Dies wird insbesondere durch
regelmäßige internationale Publikationen reflektiert, die sich sowohl
mit neuen Erkenntnissen zu genetischen Faktoren beschäftigen, die eine
Vitiligo begünstigen, aber ebenso neue Aspekte zur Ätiologie und
Pathogenese der Vitiligo untersuchen. Weitere Arbeiten setzen sich mit
neuen therapeutischen Strategien und der Re-Evaluation bereits
bekannter Therapien auseinander. Hier werden die wichtigsten Aussagen
kurz zusammengefasst:
Die Arbeitsgruppe um John Wood und Karin Schallreuter konnte neue
Hinweise dafür aufzeigen, dass eine genetische Prädisposition zu einer
veränderten Enzymaktivität der Katalase in der Haut führt und somit
oxidative Schäden in den Melanozyten verursacht, was sekundär zur
Vitiligo führen kann.
Wood JM, Gibbons NC, Chavan B, Schallreuter KU. Computer simulation of
heterogeneous single nucleotide polymorphisms in the catalase gene
indicates structural changes in the enzyme active site, NADPH-binding
and tetramerization domains: a genetic predisposition for an altered
catalase in patients with vitiligo? Exp Dermatol. 2008 Apr;17(4):366-71.
Ebenfalls Prof. Schallreuter, konnte in einer im März 2008 erschienenen
Arbeit zeigen, dass bei Patienten mit Vitiligo erhöhte Mengen von
Allantoin in der Epidermis gefunden werden können. Allantoin entsteht
aus Harnsäure, bei Akkumulation freier Radikale in der Haut. Xanthin
Dehydrogenase und Xanthine Oxidase (XDH/XO) katalysieren die
Hydroxylierung von Hypoxanthin zu Xanthin und schließlich zu Harnsäure.
Hierbei entstehen freie Radikale, insbesondere Peroxide (H2O2), welche
zur Anreicherung von Allantoin in der Epidermis führen. Insbesondere
bei akuten Vitiligo Schüben, werden deutlich erhöhte Mengen von
Allantoin im Vergleich zu gesunden Kontrollpersonen gefunden. Diese
Ergebnisse unterstützen die Theorie, dass oxidativer Stress einen
wichtigen Beitrag in der Pathogenese der Vitiligo spielen könnte.
Shalbaf M, Gibbons NC, Wood JM, Maitland DJ, Rokos H, Elwary SM, Marles
LK, Schallreuter KU, Presence of epidermal allantoin further supports
oxidative stress in vitiligo. Exp Dermatol. 2008 Mar 4.
Ein britisches Forscherteam hat einen interessanten neuen
Therapieansatz zur Vitiligo entdeckt, der im Tierversuch bereits
vielversprechende Ergebnisse gezeigt hat.
Piperin (1-Piperoylpiperidin), ein Alkaloid, das sich in schwarzem
Pfeffer findet und dort der Träger des scharfen Pfeffergeschmacks ist,
sowie Analoga dieses Stoffes, stimulieren in vitro das Wachstum von
Melanozyten.
In Ihrem Experiment wurden Piperin und 3 Piperin-Analoga an Mäusen, die
nur schwach pigmentiert waren, getestet. Die Mäuse wurden topisch 2x/d
für 5 Tage behandelt und einige zusätzlich an 3 Tagen UV exponiert.
Nach 4-wöchiger Therapie zeigte sich das Piperin und 2 der Analoga eine
verstärkte Pigmentierung der Mäuse bewirkt hatten; dieser Effekt wurde
durch UV-Bestrahlung noch verstärkt. Interessanterweise war die
Pigmentierung der Haut bei Analoga und UV-Bestrahlung flächig homogen
verteilt, im Gegensatz zum follikulären (gepunkteten) Muster bei
alleiniger UV-Bestrahlung. Eine Unterbrechung der Behandlung führte zum
Abblassen der Pigmentierung, jedoch nicht zum Pigmentverlust; auch
wurde durch Fortsetzen der Therapie eine erneute Repigmentierung
erreicht. Die Autoren empfehlen die weitere Untersuchung von Piperin
und dessen Analoga in klinischen Studien bei Vitiligo Patienten.
Faas L, Venkatasamy R, Hider RC, Young AR, Soumyanath A. In vivo
evaluation of piperine and synthetic analogues as potential treatments
for vitiligo using a sparsely pigmented mouse model.
Br J Dermatol. 2008 Feb 16 [Epub ahead of print] Links
Antioxidantien, insbesondere in Kombination mit UVB Bestrahlung werden
immer wieder in die Diskussion möglicher Therapieoptionen gebracht.
Eine italienische Arbeitsgruppe untersuchte die Anwendung einer UV-B
(Schmalspektrum) Therapie zusammen mit einer Mischung aus oralen
Antioxidantien, bestehend aus Alpha-Liponsäure, Vitamin C und Vitamin E
sowie mehrfach ungesättigten Fettsäuren, die 2 Monate vor der
UV-Therapie begonnen und für 6 Monate während der UV Therapie
eingenommen wurden. Die Autoren beschreiben eine signifikante
Verbesserung der Effektivität der UV-Therapie durch die Supplementation
mit Antioxidanten, und postulieren als Ursache die Reduktion des
oxidativen Stresses in der Haut durch die Antioxidantien Gabe.
Dell'Anna ML, Mastrofrancesco A, Sala R, Venturini M, Ottaviani M,
Vidolin AP, Leone G, Calzavara PG, Westerhof W, Picardo M. Antioxidants
and narrow band-UVB in the treatment of vitiligo: a double-blind
placebo controlled trial. Clin Exp Dermatol. 2007 Nov;32(6):631-6.
Mittlerweile existieren eine ganze reihe von Fallbeschreibungen zur
Vitiligo-Therapie mit topischen Immunmodulatoren (wie Tacrolimus
(Protopic®) und Pimecrolimus (Elidel®). Große randomisierte Studien
fehlen leider immer noch.
In einem Fallbericht zur Therapie der Vitiligo mit Tacrolimus, bei
einem 10-J Jungen mit Vitiligo im Gesichtsbereich (infraorbital) sowie
an anderen Körperstellen,konnte gezeigt werden, dass die 1x Applikation
von Tacrolimus 0,03% zur Nacht zwar zu einer guten Repigmentierung
innerhalb von 2 Monaten führte, es jedoch 1 Monat nach Absetzten der
Therapie wieder zur Depigmentierung der behandelten Areale kam.
Insgesamt gilt also weiterhin, dass der Einsatz von topischen
Immunmodulatoren bei der Vitiligo kritisch bewertet werden muss, da
oftmals keine oder nur temporäre Effekte erzielt werden können.
De D, Kanwar AJ., Tacrolimus-induced hyperpigmentation in a patch of vitiligo.
Skinmed. 2008 Mar-Apr;7(2):93-4.
Auch Luger et al. verweisen auf positive Effekte durch Applikation von
Calcineurin-Inhibitoren bei der Vitiligo, betonen jedoch auch, das
große kontrollierte klinische Studien erforderlich sind, um die in
Fallberichten dokumentierten Ergebnisse zu validieren.
Luger T, Paul C. Potential new indications of topical calcineurin inhibitors.
Dermatology. 2007;215 Suppl 1:45-54
Gezielt in das Immunsystem eingreifende Therapien gehören heute zum
Standard Repertoire der therapeutischen Optionen bei einer Vielzahl von
Erkrankungen, wie z.B. bei der rheumatoiden Arthritis, Psoriasis, etc.
Ein weiterer Hinweis, dass das Immunsystem auch bei der Entstehung der
Vitiligo eine wichtige Rolle spielt, zeigt u.a. ein Fallbericht aus
Mexico.
Bei einem Patienten mit ankolysierender Spondylitis (einer
Gelenkerkrankung), der mit einem TNF-alpha Inhibitor (Infliximab)
behandelt wurde, kam es zur Repigmentierung der bestehenden
Vitiligo-Herde.
Simón JA, Burgos-Vargas R. Vitiligo Improvement in a Patient with
Ankylosing Spondylitis Treated with Infliximab. Dermatology. 2008 Jan
9;216(3):234-235
In einer offenen prospektiven, vergleichenden Studie wurden 50 Vitiligo
Patienten entweder mit systemischer PUVA oder UV-B (Schmalspektrum)
Therapie behandelt und über 1 Jahr beobachtet. Interessanterweise
zeigte sich, dass die UV-B (Schmalspektrum) Therapie der PUVA Therapie
überlegen war, sowohl hinsichtlich der Effektivität der
Repigmentierung, als auch hinsichtlich der Krankheitsstabilität sowohl
bei aktiver als auch bei stabiler Vitiligo.
Bhatnagar A, Kanwar AJ, Parsad D, De D. Psoralen and ultraviolet A and
narrow-band ultraviolet B in inducing stability in vitiligo, assessed
by vitiligo disease activity score: an open prospective comparative
study. J Eur Acad Dermatol Venereol. 2007 Nov;21(10):1381-5.
Eine Studie aus Italien bestätigte zudem die Beobachtung, das bei einer
UVB-Schmalspektrum Therapie die besten Effekte bei jungen Patienten mit
erst seit kurzem bestehender Vitiligo erreicht werden können (bessere-
und stärkere Repigmentierung) und auch, dass Hände und die untere
Extremität typischerweise schlechter repigmentieren (und hierzu auch
über einen längeren Zeitraum bestrahlt werden müssen).
Brazzelli V, Antoninetti M, Palazzini S, Barbagallo T, De Silvestri A, Borroni G.
Critical evaluation of the variants influencing the clinical response
of vitiligo: study of 60 cases treated with ultraviolet B narrow-band
phototherapy.
J Eur Acad Dermatol Venereol. 2007 Nov;21(10):1369-74.
Ein weiterer interessanter aktueller Artikel beschäftigt sich mit der
Frage, ob Vitiligo Patienten ein geringeres Risiko für die Entstehung
eines malignen Melanoms (‚schwarzer Hautkrebs’) haben, bzw, eine
verbesserte Abwehr von Melanomzellen bewerkstelligen können. Ursache
für diese Untersuchung ist die Beobachtung, dass Vitiligo Patienten,
die ein malignes Melanom entwickeln, eine bessere Prognose und
Überlebenschance haben, als die Allgemeinbevölkerung.
Die Autoren postulieren, dass der Grund hierfür sein könnte, dass die
Autoantikörper im Serum von Vitiligo-Patienten, die sonst die
körpereigenen gesunden Melanozyten angreifen und die Vitiligo mit
verursachen, auch die Melanomzellen zerstören könnten. In der Tat
konnte gezeigt werden, dass das Serum von Vitiligo-Patienten (und die
darin enthaltenen Antikörper) das Wachstum von Melanomzellen in vitro
(im Reagenzglas) hemmen und bei Mäusen Melanom-Metastasen zum
Schrumpfen bringen. Es wird spekuliert, dass man diese
Anti-Melanom-Antikörper, die bei Vitiligo-Patienten vorkommen ggf.
therapeutisch bei der Behandlung des malignen Melanoms nutzen könnte.
Ram M, Shoenfeld Y. Harnessing autoimmunity (vitiligo) to treat melanoma: a myth or reality?
Ann N Y Acad Sci. 2007 Sep;1110:410-25. Links
Wahrscheinlich spielen mehrere Phänomene eine Rolle in der
Ätiopathogenese (Entstehung) der Vitiligo. Sowohl Studien zur Therapie
mit Immunmodulantien, als auch Berichte über
Melanozyten-spezifische-Antikörper unterstützen hierbei die
Autoimmunhypothese der Vitiligo Entstehung.
Eine mexikanische Arbeitgruppe konnte kürzlich zeigen, dass Melanozyten
in Hautbiopsien von Vitiligo-Patienten Zeichen der Apoptose
(‚programmierter Zelltod’) aufwiesen und auch, dass das Serum der
Patienten Melanozyten-spezifische-Antikörper enthielt. Zudem konnte
gezeigt werden, dass diese IgG-Antikörper der Patienten Melanozyten in
vitro angreifen und Apoptose induzieren können.
Ruiz-Argüelles A, Brito GJ, Reyes-Izquierdo P, Pérez-Romano B,
Sánchez-Sosa S. Apoptosis of melanocytes in vitiligo results from
antibody penetration. J Autoimmun. 2007 Dec;29(4):281-6.
Abschließend soll an dieser Stelle noch auf die erfreuliche Entwicklung
hingewiesen werden, die sich im vergangenen Jahr stärker abzuzeichnen
begonnen hat; die Abwendung von der dogmatischen Verfechtung einzelner
Theorien zur Ätiopathogenese (Entstehung) der Vitiligo "als einzige
wahre Wahrheit".
Unabhängig voneinander sind mehrere Übersichtsarbeiten erschienen, die
nun auch eine Verbindung zwischen den einzelnen Theorien herstellen, um
so ein Gesamtbild zu erstellen, welches der Realität sicherlich näher
kommt. Zu diesen Theorien gehören:
- Genetische Veranlagung,
- Neuronale Einflüssen (Stress),
- Störungen des Redox Gleichgewichtes (oxidativer Stress),
- Erhöhung der Phenol/Katechol Konzentration
- Veränderungen der Calcium-Homöostase,
- Entstehen von Autoimmunität mit
- Proliferation zytotoxischer T-Zellen und
- Abnahme regulatorsicher T-Zellen,
- Vorliegen Melanozyten-spezifischer-Antikörper und auch
- Störung der Zell-Zell-Adhäsion zwischen den Melanozyten (Melanozytorrhagie).
Erst mit dem Verständnis dieser komplexen Zusammenhänge zwischen den
einzelnen Faktoren, die das Entstehen einer Vitiligo bewirken, erwächst
auch die Möglichkeit der Entwicklung neuer gezielter, therapeutischer
Ansätze.
Eine Lektüre dieser Artikel (leider alle auf Englisch) ist daher sehr empfehlenswert.
Westerhof W, d'Ischia M. Vitiligo puzzle: the pieces fall in place.
Pigment Cell Res. 2007 Oct;20(5):345-59. Review.
Namazi MR. Neurogenic dysregulation, oxidative stress, autoimmunity,
and melanocytorrhagy in vitiligo: can they be interconnected? Pigment
Cell Res. 2007 Oct;20(5):360-3.
Schallreuter KU, Bahadoran P, Picardo M, Slominski A, Elassiuty YE,
Kemp EH, Giachino C, Liu JB, Luiten RM, Lambe T, Le Poole IC, Dammak I,
Onay H, Zmijewski MA, Dell'Anna ML, Zeegers MP, Cornall RJ, Paus R,
Ortonne JP, Westerhof W.
Vitiligo pathogenesis: autoimmune disease, genetic defect, excessive reactive oxygen species, calcium imbalance, or what else?
Exp Dermatol. 2008 Feb;17(2):139-40; discussion 141-60.