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Gut gemeinte Ratschläge

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Als Hautbetroffene(r) von einer chronischen Hauterkrankung wie Rosazea kommt man im Laufe seines Lebens immer wieder in Situationen, in denen einem Mitmenschen Ratschläge mit auf den Weggeben, z.B. wenn man als Hautbetroffene(r) im Bus sitzt, Menschen zu- und aussteigen oder sich neben einen setzen. Schnell kommt es zu einem kleinen Gespräch, oftmals vom zugestiegenen Gegenüber mit Worten initiiert wie: „Mensch, Ihre Haut sieht ja schlimm aus, das ist bestimmt Neurodermitis. Hatte meine Schwester auch. Bei der lag das am Stress. Machen Sie auch alles für Ihre Haut? Die Haut vergisst ja nichts. Die hat ja sowas wie ein Hautgedächtnis…“

Alltagstalk unter der Lupe…

Die beschriebene Situation verdeutlicht, wie schnell Menschen mit sichtbaren Krankheiten im Alltag Ratschläge erteilt werden. Die ratgebende Person in dieser Situation rät ungefragt einem fremden Menschen Dinge bzw. Strategien, die dieser unbedingt in seinem Leben berücksichtigen bzw. ausprobieren sollte. Das ratgebende Gegenüber beurteilt die hautbetroffene Person anhand von sichtbaren Merkmalen und schlussfolgert vorab und vorschnell für sich, dass diese beispielsweise dysfunktional in ihren Bewältigungsstrategien agieren muss, sonst würde die Haut ja nicht derart „aussehen“. Diese äußere Interpretation ist rein subjektiv. Als hautbetroffene Person könnte man sich nun ermahnt fühlen oder schlecht informiert oder einfach unwohl in dieser Situation. Aber in wieweit erweist sich diese Situation überhaupt als passend, um gut gemeinte Ratschläge an die hautbetroffene Person zu bringen?
Kommunikationspsychologisch gesehen könnte der Eindruck entstehen, dass Nachrichten vermittelt werden, die die hautbetroffene Person noch betroffener machen könnten, im Sinne dessen, dass diese zu verstehen bekommt, sie würde ihren Bewältigungsstrategien falsch handeln. Ferner könnte der Eindruck entstehen, dass die ratgebende Person klüger oder besser informiert ist – quasi ein Experte des Alltags. Aber auch das beschreibt subjektive Wahrnehmungsprozesse in dieser Situation. Leider erweist sich diese Situation nicht unbedingt als zuträglich, um einem Hautbetroffenen gut gemeinte Ratschläge nahezubringen. Der Hautbetroffene gerät nahezu in eine Rechtfertigungsposition, obwohl er doch „einfach“ nur mit dem Bus von A nach B fahren wollte.

Solche, jene und karierte Beratungsumwelten

Von außen betrachtet initiiert die ratgebende Person an einem Ort wie im Bus eine beratende Situation, fernab eines professionellen Beratungsrahmens in einer etablierten Beratungsstelle, in der man vertraulich über die eigene Erkrankung sprechen könnte. Über die Qualifikation der ratgebenden Person ist nichts bekannt. Die Person beurteilt anhand äußerer Hautmerkmale ihr Gegenüber und setzt direkt mit Ratschlägen an. Im professionellen Beratungskontext sollte sich die beratende Person zunächst einen Auftrag einholen. D.h. als Berater fragt man nach dem Anliegen der ratsuchenden Person, um diese dann im weiteren Gesprächsverlauf mit Hilfe zur Selbsthilfe zu unterstützen. Erfolgversprechend erweist sich in diesem professionellen Beratungskontext, dass die ratsuchende Person freiwillig Hilfe zur Selbsthilfe sucht. Ihr werden weder ungefragt Ratschläge aufgedrängt noch gerät sie in die Rechtfertigungsposition. Die beratende Person nimmt ihr Gegenüber als selbstverantwortliche Person an und begleitet diese mit Empathie im Beratungsgespräch. Auf diese Weise entsteht im Idealfall eine Gesprächsatmosphäre, in der die ratsuchende Person sich angenommen und wertgeschätzt fühlt.

Auf der Suche nach Lösungswegen

In Beratungsgesprächen gibt es auch Situationen, in denen Informationen vermittelt werden müssten. Erkrankt eine Person an einer Erkrankung, wird sie Informationen über wissenschaftliche Behandlungsansätze bzw. Bewältigungsstrategien in der Regel aufmerksam zuhören. Entscheidend ist für den Berater, vertrauensvoll auf sein ratsuchendes Gegenüber einzugehen und gemeinsam nach Lösungsansätzen zu suchen. Dabei geht es nicht darum, wie eine ermahnende Person aufzudecken, was die ratsuchende Person alles „falsch macht“. Es geht vielmehr darum zu schauen, was diese bisher als Bewältigungsstrategien einsetzt, diese in ihrer Einsicht zu begleiten, wie funktional sich diese erweisen und ggf. gemeinsam zu überlegen, was diese Person verändern bzw. weiter ausbauen könnte, um im Rahmen der eigenen Hauterkrankung noch besser für sich zu sorgen.

Alltagsratschläge entwaffnen

Kommen wir zurück zur eingangs beschriebenen Alltagssituation. Die hautbetroffene Person „muss“ sich mehr oder weniger die Ratschläge der ratgebenden Person „anhören“. Was könnte sie tun, um sich dieser Situation geschickt zu entziehen? Viele Betroffene schildern, dass sie solche Situationen zu Genüge kennen und diese Ratschläge als Schläge empfinden würden. Das ratgebende Gegenüber erteilt ungebeten Ratschläge, ohne sich dafür eine Zustimmung vom Gegenüber einzuholen. Was könnte die betroffene Person also tun?
Diese könnte einfach nicht antworten und aus dem Fenster schauen. Sie könnte sich beim Gegenüber für die gut gemeinten Ratschläge „bedanken“, aufstehen und den Platz im Bus wechseln. Sie könnte nach der Qualifikation der ratgebenden Person und der Angemessenheit der Beratungssituation im Bus fragen. Das könnte allerdings beim Gegenüber sehr provokant aufgenommen werden. Die Frage ist ja auch, wie sympathisch man die ratgebende Person empfindet und in wieweit man sich als Hautbetroffene(r) auf das Gespräch einlassen möchte.
Rein sachlich gesehen könnte man an dieser Stelle auch W-Fragen stellen, die den Ratschlägen wissenschaftlich auf den Grund gehen: Wer hat das untersucht? Welche wissenschaftliche Methode wurde eingesetzt? Wer hat die Studie finanziert? Wie groß war die untersuchte Stichprobe? Wie genau sahen die Ergebnisse aus? Auf diese Weise verlässt man zügig die Ebene des Alltagstalks und lenkt das Gespräch auf eine wissenschaftliche Ebene. So gelingt es dem Hautbetroffenen auch, selbständig die „gesprächsbetroffene“ Ebene zu verlassen, das Gespräch zu lenken und gut für sich zu sorgen. Denn darum geht es doch, für sich selbstfürsorglich zu entscheiden, wann, wo und mit wem man sich auf ein Gespräch einlassen möchte, und entsprechend den Gesprächseinstieg oder das Gesprächsende aktiv zu mitzubestimmen. Ein Psychologe außerhalb seines Jobs sagt auch gerne mal: „Ich habe jetzt keine Sprechstunde.“ Verblüffend, wie schnell das Gegenüber überrascht verstummt. Und auch Äußerungen wie „Darauf bin ich jetzt nicht eingestellt.“ können das Ende des Gesprächs einleiten.





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