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Psychologische Aspekte beim Umgang mit Neurodermitis bei Kindern

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Neurodermitis ist eine chronische, schubweise verlaufende Hauterkrankung, die nicht nur für die betroffenen Kinder, sondern auch für das familiäre Umfeld eine große Belastung darstellen kann.
Von den neurodermitiskranken Kindern werden meist der Juckreiz und das Gefühl der Entstellung als die am schwersten zu bewältigenden Faktoren empfunden.
Bei Verknüpfungen mit Allergien kommen häufig die Einschränkungen durch Nahrungsmittelverbote hinzu.
Auch an die Eltern werden jedoch hohe Anforderungen gestellt. Der hohe Pflegeaufwand, die Unsicherheit bezüglich der Wahl der richtigen Behandlung, der Schmerz beim Anblick des entzündeten oder zerkratzten Körpers, das Gefühl der Hilflosigkeit, Konflikte zwischen den Geschwistern.
Das und vieles mehr kann letztendlich auch zu starker Erschöpfung bei den Eltern führen. Patentrezepte gibt es nicht. Kein Kind ist wie das andere. Letztlich müssen also Sie und Ihr Kind bei verschiedenen Ideen, Richtlinien und Angeboten überprüfen, was auf Ihre individuelle Situation paßt.
Sie sind die Experten für sich selbst und Ihr Kind.
Jedoch gibt es im Hinblick auf Zusammenhänge zwischen Neurodermitis und Psyche einige Ansätze, die viele Eltern und Kinder als hilfreich erlebt haben. Diese möchte ich Ihnen im folgenden vorstellen.

Umgang mit dem Kratzen der Kinder
Wie kommt es zu dem Kratzverhalten?
Juckreizlinderung

Kratzen ist ein gelerntes Verhalten, für das es verschiedene Ursachen gibt.
Zunächst tritt Kratzen meist als Reaktion auf einen Juckreiz auf. Der Juckreiz selbst kann wiederum durch unterschiedliche Faktoren ausgelöst werden, z.B. durch mechanische Reize wie kratzende Wolle, durch chemische Reize wie Waschmittelrückstände, durch Allergien und Pseudo- Allergien, durch starke Hauttrockenheit oder durch psychische Faktoren wie Ärger, Anspannung und Aufregung.
Die normale Reaktion auf Juckreiz ist das Kratzen. Schmerz und Juckreiz werden über dieselben Nervenbahnen übertragen.
Durch das Kratzen und den damit zugefügten Schmerz werden die Nervenbahnen einen Moment lang für den Juckreiz blockiert. Das Nachlassen des Juckreizes wird somit als Verstärker wirksam. Das bedeutet, dass das Kratzen belohnt wird, und Verhalten, das belohnt wird oder sich als erfolgreich erweist, zeigen wir immer öfter. Für einen Hautgesunden ist es manchmal schwer nachvollziehbar, dass Schmerz und Hautschädigung dem Juckreiz vorgezogen wird. Vielleicht ist es hier hilfreich, sich an das Gefühl eines stark juckenden Mückenstiches zu erinnern.
Um vieles mehr wird oft der Juckreiz im Zusammenhang mit der Neurodermitis als quälend und unkontrollierbar erlebt. Die Folge des Kratzens ist jedoch eine Schädigung der Haut, so dass diese viel empfindlicher wird und schneller mit Juckreiz reagiert. Dadurch kann ein unangenehmer Teufelskreis entstehen:

Jucken – Kratzen – mehr Juckreiz – mehr Kratzen – noch mehr Juckreiz…
Soziale Verstärker

Als soziale Verstärker bezeichnet man Belohnungen des Kratzverhaltens, die sich aus den Reaktionen der Umwelt ergeben. Diese sind meist gut gemeint und häufig kurzfristig erfolgreich. Ein Kind, welchem interessante Spiele angeboten werden, hört möglicherweise tatsächlich für einen Augenblick mit dem Kratzen auf.
Die Eltern oder andere Erwachsene sehen darin die Bestätigung, dass ihre Strategie „Ablenken“ funktioniert. Langfristig gesehen tragen soziale Verstärker jedoch leider zur Aufrechterhaltung des Kratzverhaltens bei.

Man versetze sich einmal in die Welt des Kindes. Dem Kind ist langweilig, keiner kümmert sich, alle haben im Moment wichtigere Dinge zu tun. Da fängt das Kind (zunächst ohne Hintergedanken) an zu kratzen. Und wie durch ein Wunder sind plötzlich die Mutter oder Vater zur Stelle. Es wird getröstet, in den Arm genommen, gespielt, vorsichtig mitgeschubbert, geschimpft oder ermahnt („…du weißt doch, dass das deiner Haut nicht gut tut!“). Alle diese Reaktionen haben eins gemeinsam: Man kümmert sich plötzlich, es ist nicht mehr langweilig, das Kind steht im Mittelpunkt. Sogar Ermahnungen und Bestrafungen können somit, was zunächst erst einmal paradox klingt, einen belohnenden Charakter haben.
Dadurch kratzt das Kind immer häufiger. Das kann, muss aber nicht bewußt geschehen. Es ist das Ergebnis eines normalen Lernprozesses, kein hinterhältiges oder durchtriebenes Verhalten.
Ein ähnliches Verstärken des Kratzens durch positive Konsequenzen findet statt, wenn es zu Konfliktsituationen zwischen Eltern und Kind kommt. Das Kind fängt an, sich zu kratzen, die Eltern geben nach und das Kind lernt, dass es durch sein Kratzverhalten die Eltern massiv beeinflussen kann.
Anfänglich läuft auch das nicht bewusst ab. Kratzen ist insofern eine „normale“ Reaktion auf Konfliktsituationen, als dass die Erregung zu einem erhöhten Juckreiz führt und weil Kratzen ein Weg zur Spannungsabfuhr ist. Wenn die Eltern in solchen Situationen jedoch häufiger nachgeben („Na gut, ausnahmsweise darfst du den Film zu Ende sehen… okay, okay, heute brauchst du nicht aufzuräumen“), wird das Kind nach und nach lernen, das Kratzen bewusst einzusetzen. Manche Kinder machen das ganz demonstrativ („Na gut, dann kratz‘ ich mich eben…“), bei anderen ist es weniger offensichtlich.
In jedem Fall entsteht dadurch ein zusätzlicher Anreiz zu kratzen

Spannungsabfuhr

Eine weitere wichtige Ursache für das Kratzen ist die Spannungsabfuhr. Das Kratzen wird als befreiend erlebt, angestaute Erregung kann abreagiert werden. Anspannung und Stress sind kein „Privileg“ der Erwachsenen. Auch Kinder, sogar schon sehr kleine Kinder, können unter Stress leiden. Alle Situationen, in denen ein Kind sich nicht wohl fühlt, können im weitesten Sinne als Stress bezeichnet werden: Hunger, Trennung von vertrauten Bezugspersonen, ein Arztbesuch…
Auch positive Ereignisse wie die Aufregung vor einem Kindergeburtstag können eine Stressreaktion auslösen.
Weiterhin überträgt sich häufig der Stress der Eltern auf die Kinder.
Der Umgang mit Stress ist bei Neurodermitis in mehrfacher Hinsicht von Bedeutung.
Zum einen schwächt länger andauernder Stress das Immunsystem; es kann u.a. leichter zu Infektionen kommen. Die vermehrte Histaminausschüttung und die gesteigerte Schweißbildung im Stresszustand können Juckreiz auslösen. Desweiteren kann ein ungünstiger Umgang mit dem Stress zum Kratzen führen.
Sicherlich ist es nicht möglich, alle neurodermitiskranken Menschen hinsichtlich der Persönlichkeit über einen Kamm zu scheren. Sicherlich gibt es hier wie überall laute und leise, sanfte und aggressive Kinder.
Tendenziell scheinen Menschen mit Neurodermitis jedoch eher sensibel und introvertiert zu sein (was in manchen Studien untermauert, in manchen widerlegt wird). Das bedeutet, dass die Kinder möglicherweise sehr empfänglich für die Stimmungen anderer Personen sind, leicht kränkbar und eher verschlossen und in sich gekehrt. Können dann Gefühle wie Wut oder Ärger schlecht ausgedrückt werden, kann dies dazu führen, dass die Anspannung über das Kratzen abreagiert werden muss.

Umgang mit dem Kratzverhalten

Alternativen zur Juckreizlinderung Intensiver Juckreiz läßt Kratzen oft als die einzig mögliche Reaktion erscheinen, die Erleichterung verspricht. Ein leichter oder mittelstarker Juckreiz ist jedoch auch anders zu bewältigen. Hier gilt es auszuprobieren und einzuüben, was dem Kind hilfreich erscheint.

Kühlung:
Als lindernd wird oft das Eincremen, insbesondere mit kühlenden Salben oder Lotionen, erlebt. Aber auch andere Formen der Kühlung haben einen positiven, beruhigenden Effekt. Eine nasse Kühlung lässt sich durch fliessendes kaltes Wasser, durch kalte, möglicherweise dem Kühlschrank entnommene Waschlappen oder durch Speichel erreichen. Trockene Kühlung ist mit Kühlpackungen aus der Apotheke, mit Eiswürfeln in einer Plastiktüte, mit Ventilatoren, kühlen Föhnen oder Pusten möglich. Generell kann sich mehr Luft am Körper durch leichte, lockere Kleidung, durch leichtere Bettwäsche oder durch Aufenthalt an der frischen Luft positiv auswirken.

Alternative Kratzmethoden:
Mit sanften Kratzmethoden kann den Kindern ein Mittel an die Hand gegeben werden, auf den Juckreiz Einfluß zu nehmen, ohne durch aggressives Kratzen mit den Fingernägeln die Haut massiv zu schädigen. Vorbeugend ist es natürlich möglich, die Fingernägel sehr kurz zu schneiden oder im Notfall dünne Baumwollhandschuhe anzuziehen. Weiterhin kann richtiggehend eingeübt werden, mit der flachen Hand oder den Knöcheln zu kratzen, die juckende Stelle zu kneten, zu kneifen oder zu massieren, abzuklopfen, zu drücken oder zu streicheln.
Manchen Kindern tut es auch gut, an anderen als den betroffenen Stellen zu kratzen.
Damit kann möglicherweise die durch den Juckreiz entstandene Spannung abgebaut werden, ohne dass die Haut zusätzlich strapaziert wird. Dabei ist es möglich, in geringem Abstand in der Luft über der betreffenden Stelle zu „kratzen“, an gesunden Körperstellen oder auf stabilen Stoffen wie Jeans oder Teppichboden.
Mitunter kann dafür auch ein sogenanntes „Kratzklötzchen“ genutzt werden.
So nennt man ein mit Waschleder bezogenes Holzklötzchen, welches man sich auch selbst basteln kann und dessen Benutzung überwiegend dann sinnvoll erscheint, wenn es wirklich um  Spannungsabbau geht.

Aufmerksamkeitsumlenkung:
Ist der Juckreiz nicht allzu intensiv, genügt es oft schon, die Aufmerksamkeit auf andere Dinge zu lenken. Damit ist nicht gemeint, dass die Eltern auf die erste Kratzbewegung sofort mit Ablenkungsmanövern reagieren sollten. Mit älteren Kindern kann man jedoch gut durchsprechen, wie sie selber dafür sorgen können, auf andere Gedanken zu kommen.
Insbesondere bieten sich hier natürlich Tätigkeiten an, für die die Hände gebraucht werden. Malen, werkeln, jonglieren, Sport treiben, ein Instrument spielen…:
Alles, was das Kind gern tut, kommt in Frage. Auf keinen Fall sollte das Kind zu einer „Ablenkung“ gezwungen werden, weil es sie dann als Strafe erleben würde.

Vermeidung der sozialen Verstärkung des Kratzens:
Um dem Kratzen den (zusätzlich zur Juckreizlinderung) lohnenswerten Charakter zu nehmen, ist es notwendig, dem Kratzen keine besondere Beachtung mehr zu schenken. Vielen Eltern mag das zunächst kalt und hartherzig erscheinen.
Hier gilt es sich vor Augen zu halten, dass das Nicht-Beachten des Kratzens langfristig dem Wohl des Kindes dient.
Bei starkem Juckreiz wird Ihr Kind auch weiterhin kratzen. Das darf es jedoch auch. Ein Verhindern des Kratzens könnte hier nur dazu führen, dass das Kind dann heimlich kratzt oder dabei das Gefühl hat, etwas Verbotenes und Schlimmes zu tun. Die weiteren guten Gründe für das Kratzen fallen jedoch fort. Studien und Erfahrungen belegen, dass das Nicht-Beachten des Kratzens tatsächlich innerhalb weniger Wochen zu einer starken Verminderung der Kratz- Häufigkeit führt.
Das Nicht-Beachten soll jedoch auf keinen Fall bedeuten, dass das Kind jetzt weniger Aufmerksamkeit erhält. Es geht vielmehr darum, die Aufmerksamkeit umzuverteilen.
Besser ist es, dem Kind liebevolle Zuwendung zu geben, wenn es beispielsweise gerade spielt oder sich selbständig eincremt.
Falsch verstanden wäre dieser Ansatz auch, wenn Sie ein weinendes, trostsuchendes, kratzendes Kind links liegen lassen.
Natürlich dürfen und sollen Sie sich mit den Ängsten und Bedürfnissen Ihrer Kinder auseinandersetzen. Aber nicht, weil es kratzt- sondern weil es Sie gerade braucht und weil Sie wahrscheinlich auch ohne das Kratzen auf das Weinen reagiert hätten Es geht also darum, sich durch das Kratzen nicht anders zu verhalten, als Sie sich sonst verhalten hätten.
Das gleiche gilt, wenn das Kind beispielsweise während eines gemeinsamen Spiels zu kratzen beginnt. Sie sollen dann nicht das Spiel abbrechen und das Kind ignorieren. Das hiesse, das Kind für die Aufregung und Neurodermitis zu bestrafen.
Günstig ist es, genau wie zuvor mit dem Kind weiterzuspielen und das Kratzen nicht zu kommentieren.
Mitunter erscheint das erläuterte Konzept den Eltern zwar einleuchtend, die Umsetzung jedoch fällt ihnen sehr schwer. Das kann daran liegen, dass die Eltern den Anblick oder das Geräusch des Kratzens kaum ertragen können und dass der Drang einzugreifen dann übermächtig wird. Hier ist dann eine räumliche Trennung häufig sinnvoll. Verlassen Sie den Raum, sorgen Sie für getrennte Schlafzimmer oder besprechen Sie ruhig mit dem Kind (ohne es als Strafe zu verkaufen), ob es sich im eigenen Zimmer mit der Haut beschäftigen kann.
In Konfliktsituationen, in denen Sie nachgeben, um ein Kratzen des Kindes aus Wut oder Enttäuschung zu verhindern, sollten Sie künftig versuchen, sich nicht unter Druck setzen zu lassen. Halten Sie sich vor Augen: Langfristig tragen Sie sonst zu einer Aufrechterhaltung der Neurodermitis bei.


Umgang mit Stress und Anspannung


Leidet das Kind unter Stress und Anspannung, kann man sich zunächst natürlich fragen, wo der Stress herkommt und ob sich die als problematisch erkannten Situationen verändern lassen. (Übe ich auf mein Kind Leistungsdruck aus? Muss es wirklich immer Einsen und Zweien schreiben? Ist es wirklich nötig, jeden Tag einen Musik- oder Sporttermin zu haben?
Könnten die ständigen Streitereien zwischen uns Eltern belastend wirken und finden wir beide einen Weg, anders mit unseren Konflikten umzugehen?)
Nicht in jedem Fall erscheint es aber sinnvoll oder möglich, die Ursache der Anspannung aus dem Weg zu räumen. Zum einen wäre es verfehlt, aufregende Ereignisse wie Klassenfahrten oder die Vorfreude auf das Weihnachtsfest aus dem Leben des Kindes zu streichen. Zum anderen ist es nicht möglich, das Kind unter einer Glasglocke aufwachsen zu lassen.
Das Kind muss lernen, mit Belastungen umzugehen.
Hilfreich kann hier das Erlernen einer Entspannungstechnik (Autogenes Training, Progressive Muskelentspannung, Yoga u.ä.) sein. Sind die Kinder dazu zu klein, können auch oft Entspannungsgeschichten, in die teilweise Elemente des Autogenen Trainings eingebaut sind, einen beruhigenden Einfluss haben. Ebenso bringt es positive Einflüsse mit sich, wenn die Bezugspersonen selbst eine Entspannungstechnik beherrschen und ruhiger und ausgeglichener sind.
Auch Sport und Herumtoben wirken spannungsreduzierend. Damit wird genau das getan, worauf der Körper bei einer Stressreaktion vorbereitet wird: Körperliche Bewegung. Besondere Wichtigkeit kommt dem Umgang mit Gefühlen zu.
Ganz allgemein ist die Fähigkeit, Gefühle zu äußern oder in anderer Form auszudrücken, eine wichtige Stärke. Bei Kindern mit Neurodermitis, die die Anspannung sonst oft über Kratzen ausdrücken, ist dies besonders deutlich.
Oft erschweren wir jedoch anderen ungewollt durch unsere Reaktionen den Ausdruck von Gefühlen. Wir neigen dazu, Gefühle in „gute Gefühle“ wie Freude oder in „schlechte Gefühle“ wie Wut oder Neid einzuteilen. Es ist jedoch nicht sinnvoll, an Gefühle einen moralischen Maßstab anzulegen. Wie jemand seine Gefühle auslebt, läßt sich eher beurteilen. Wenn ein Kind bei Wut das Geschirr vom Tisch fegt oder Geschwistern gegenüber aggressives Verhalten in nicht mehr tolerierbarer Weise zeigt, so ist das sicherlich etwas, was man bewerten und stoppen sollte. Die Gefühle an sich sind jedoch erst einmal da, es gibt Gründe, warum sie da sind und sie dürfen auch da sein. Vom Herunterschlucken oder Verbergen verschwinden sie nicht, ganz im Gegenteil.

An dieser Stelle ist es vielleicht sinnvoll zu überlegen, wie in der eigenen Familie mit solchen Gefühlen umgegangen wird.
Gibt es vielleicht unausgesprochene Familienregeln, dass „man“ keine Wut zeigt?

Was für ein Modell sind Sie für Ihre Kinder? Können akzeptable Wege gefunden werden, die sozial weniger erwünschten Gefühle zu zeigen?
Üben Sie sich auch im aktiven Zuhören.
Geben Sie in eigenen Worten wieder, was sie hören, sehen und was vielleicht zwischen den Zeilen mitschwingt. Trost oder Ratschläge sind manchmal erwünscht und hilfreich. Oft beenden sie ein Gespräch jedoch auch, statt den Ursachen oder den Gefühlen näher auf den Grund zu gehen.
Wenn ein trauriges Kind beispielsweise fragt: „Warum habe gerade ich diese Hautkrankheit? Das ist ungerecht.“, kann man natürlich beruhigen: „Das wird schon wieder. Anderen geht es noch schlimmer als dir.“ Das ist in so einem Moment jedoch nicht unbedingt hilfreich.
Es vermittelt wenig Verständnis oder das Gefühl, ernst genommen zu werden. Eher läßt sich die Botschaft heraushören: „Sei nicht traurig, ich kann das nicht aushalten“.
Auch die Ermahnung: „Dann musst du dich eben konsequenter eincremen.“
erweckt eher Schuldgefühle, als dass es eine Hilfe für das Kind darzustellt.
Scheuen Sie sich nicht, ruhig auf die Gefühle des Kindes einzugehen: „Ja, das ist auch ungerecht. Kann ich mir gut vorstellen, dass dich das traurig macht.“

Was ist bei der Erziehung neurodermitiskranker Kinder zu beachten ?
Die Krankheit sollte nicht alles dominieren Sicherlich gibt es Phasen, in denen die Neurodermitis das ganze Familienleben beeinflusst und beeinträchtigt- Phasen, in denen das betroffene Kind viel Trost und Zuwendung braucht, wie jedes andere kranke Kind auch. Dies sollte jedoch nicht dazu führen, dass die Neurodermitis zu dominierend wird.
Das Kind sollte nicht zuerst als krankes Kind gesehen werden, sondern als Kind mit allen möglichen Eigenschaften und Eigenarten und eben auch einer Krankheit; das hilft ihm, ein gesundes Selbstkonzept zu entwickeln. (Unter Selbstkonzept versteht man die Vorstellungen und Ideen, die man von sich selbst hat, z.B. „Ich bin ein liebes Kind.“, „Ich kann gut malen.“ oder „Manchmal bin ich krank und dann fühle ich mich schlecht.“)
Achten Sie darauf, dass Besucher nicht gleich zur Begrüssung nach dem Hautzustand fragen oder ständig in der Gegenwart des Kindes über die Neurodermitis reden, so dass die Krankheit zum Hauptgesprächsthema wird. Ansonsten besteht Vorstellung „Ich bin ein krankes Kind.“ zu sehr in den Mittelpunkt rückt. Und ein Kind, welches sich in erster Linie als „das kranke Kind“ sieht, verhält sich auch wie ein krankes Kind und wird damit zu einem kranken Kind.

Selbstbewusstsein und Selbständigkeit
Ein gesundes Selbstbewusstsein hilft bei der Bewältigung der Krankheit. Um dieses entwickeln zu können, brauchen Kinder unbedingte Liebe, viel Bestätigung – auch unabhängig von Leistungen – und die Möglichkeit, ihre Fähigkeiten und Stärken zu spüren und zu entwickeln.
Es ist wichtig, die Selbständigkeit des Kindes zu fördern, auch die Selbständigkeit im Umgang mit der Krankheit.
Dazu gehört z.B., dass die Kinder lernen, sich allein einzucremen (etwa ab vier Jahren), dass sie nicht ständig ermahnt werden, nicht zu kratzen, dass sie allmählich selbst darauf achten, welche Lebensmittel  „Falsches“ essen und die Konsequenzen dann am eigenen Leib, an der eigenen Haut spüren.
Selbstverantwortlicher Umgang mit der Erkrankung verhindert ein Gefühl der Hilflosigkeit und fördert das Selbstbewußtsein.

Geschwisterkonflikte
Achten Sie darauf, dass sich bei der aller Sorge um das betroffene Kind die gesunden Geschwister nicht zurückgesetzt fühlen. Typische Anzeichen dafür sind Auffälligkeiten der gesunden Kinder (Herumkaspern, Unselbständigkeit, Wehleidigkeit, aggressives Verhalten) oder extreme Unauffälligkeit (sehr „vernünftige“ Kinder, die die Eltern nicht noch mehr belasten wollen). Wichtig ist es hier, sich regelmäßig ganz bewusst Zeit für die hautgesunden Kinder zu nehmen.
Verlangen Sie keine besondere Rücksichtnahme dem betroffenen Kind gegenüber, das stiftet Unzufriedenheit und nimmt dem hautkranken Kind die Entwicklungschancen.
Führen Sie bei etwaigen Allergien keine „Familiendiät“ ein, die gesunden Kinder empfinden das oft als unverständliche Strafe. Und das kranke Kind muss sowieso lernen, dass andere sich anders ernähren können.
Muss jedoch das betroffene Kind auf bestimmte Nahrungsmittel oder auf Aktivitäten wie z.B. Schwimmen im Chlorwasser verzichten, ist es günstig, einen angemessenen Ausgleich zu finden, z.B. frische Waffeln statt Schokolade oder ein Zoobesuch statt Schwimmbad.

Aufkärung in Kindergarten und Schule
Bei einer ausgeprägten Neurodermitis sollten Erzieher und Lehrer über das Krankheitsbild informiert und gebeten werden, das Kratzen einfach hinzunehmen.
Lehrer sollten wissen, dass das Kind nach einer durchkratzten Nacht unkonzentriert sein kann und dass es beim Sport vielleicht mal eine Pause machen oder eher duschen muss, weil es durch das Schwitzen zu Juckreiz kommt.
Mit dem Kind selbst sollte auch besprochen werden, wie es auf Fragen oder Hänseleien reagieren kann. Hier ist auch das Vorbild der Eltern wichtig, die auf ständige Kommentare und Ratschläge auch ruhig einmal genervt reagieren dürfen.


Literaturhinweise zur Neurodermitis:

Anja Pliske u.a.: Neurodermitis bei Kindern; Spektrum
Rüdiger Szcepanski u.a.: Das juckt mich nicht; Trias-Verlag
Pavel Prochazka: Sensibilität und Abgrenzung bei Neurodermitis
Achenbach: Neurodermitis; Trias-Verlag
Katharina und Mathias Jung: Die aufgekratzte Seele, Kreuz Verlag
Arbeitsgemeinschaft Allergiekrankes Kind: Unser Kind ist allergisch, Ravensburger

Zu Gefühlen und Entspannung:

Thomas Gordon: Die Familienkonferenz, Heyne Sachbuch
Aliki: Gefühle sind wie Farben, Beltz
Reichling u.a.: Hallo, wie geht es dir? Gefühle ausdrücken lernen, Verlag an der Ruhr
Else Müller: Auf der Silberlichtstraße des Mondes, Fischer

Verfasserin:
Ymke Stephan, Dipl.-Psychologin, psychologische Psychotherapeutin, Paar- und
Familientherapeutin (SCHIFF)

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